Hier findet sich viel Informatives über Ratten.

Manches ist aber im Moment noch im Aufbau und wird nach und nach ergänzt werden.

Wenn Du Dir Informationen zu einem hier noch nicht vorhandenen Thema wünschst, nehmen wir das gerne als Anregung per Mail entgegen und werden dann schauen, ob wir es für eine sinnvolle Ergänzung halten, ausreichend fundierte Informationen dazu bekommen können und es zeitlich schaffen, es zu ergänzen. 

 

Viel Spaß beim Stöbern!
Das Team der Notrattenhilfe Bielefeld, Ostwestfalen & Umgebung

 

          

          

          

 

Tägliches Frischfutter ist für Farbratten, unabhängig davon, welches Trockenfutter man ihnen füttert, ein Muss. Hier eignen sich verschiedene Gemüse- und Obstsorten, sowie Kräuter. Gemüse kann täglich gegeben werden, wohingegen man Obst lieber auf 1-2x pro Woche beschränken sollte, da es viel Zucker enthält und damit ein Dickmacher ist. Kräuter enthalten enorm viele Mineralstoffe, v. a. Eisen. Darum sollten sie auch nicht täglich auf dem Speiseplan stehen und nur in kleinen Mengen gegeben werden. Viele Kräuter haben zudem sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die ihre Heilwirkung ausmachen, aber auch in zu großen Mengen ungesund sind. 

Hier eine Auflistung, was man Farbratten füttern darf, wo Vorsicht geboten ist und was besser nicht im Napf landet: 

Bedenkenloses Frischfutter: Banane, Chicoree, Dattel, Erdbeeren, Feigen, Fenchel (Blätter und Knolle - nur gekocht), Gurke, Karotten, Kokosnuss (sehr fett), Kürbis, Maiskolben, versch. Melonensorten, Paprika, Pastinak, Petersilienwurzel, Rote Beete, Knollen- und Stangensellerie, Steckrübe, Tomate, Traube (hell und rot), und Zucchini

Beeren wie Brombeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Preiselbeeren: wenig und nur in sehr reifen Zustand, da die Beeren viel Säure enthalten können 

Gräser, Kräuter & Wildpflanzen: siehe Liste fressbare Wildpflanzen 

Kernobst wie Apfel, Birne und andere: Die Kerne enthalten Cyanide und sollten vor dem Füttern entfernt werden. 

Salate wie Eisbergsalat, Endiviensalat, Feldsalat, Kopfsalat: Die äußeren Blätter sollten entfernt und der Salat genauso gründlich gesäubert werden, wie man es für den menschlichen Verzehr tun würde. 

Steinobst wie Aprikose, Kirsche, Mirabelle, Nektarine, Pflaume, Zwetschge: Unbedingt den Stein vor dem Füttern entfernen, da er Amygdalin enthält, welches im Darm zu giftiger Blausäure umgewandelt wird. Eine Ratte hat keine Schwierigkeiten, so einen Stein zu öffnen. 

Kiwi: enthält Fruchtsäuren, die die Schleimhäute reizen können, daher nur wenig oder gar nicht füttern. 

Kohlrabi/ Brokkoli/ Blumenkohl: Nur wenig und nur gekocht, da Kohlsorten blähend wirken können. 

Spinat: Wegen des hohen Oxalsäuregehalts nur in geringen Mengen und nur gekocht geben. 

Kartoffeln: Niemals roh! Immer gekocht geben! Kartoffeln enthalten in rohem Zustand giftiges Solanin, das durch das Kochen zerstört wird. 

 

Nicht geeignetes Frischfutter: 

Zwiebelgewächse wie Porree, Zwiebeln, Schnittlauch oder Knoblauch sollten nicht verfüttert werden. Sie enthalten z. B. Sulfide, die Schleimhaut reizend sind, und andere Inhaltsstoffe, mit denen man vorsichtig sein sollte. Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen, Bohnen) führen in rohem Zustand zu Blähungen. Rettich und Rhabarber sind schwach giftig und gehören damit nicht auf den rattigen Speiseplan. Auberginen enthalten sehr viel Solanin und sollten nicht verfüttert werden. Manche Avokadosorten sind für Ratten stark giftig und allgemein führen Avocados in unreifem Zustand zu Durchfall. Diese also nicht geben! Kohlsorten führen zu Blähungen. 

Zitrusfrüchte wie Zitrone, Mandarine, Orange enthalten zu viel Säure für Ratten. Mango enthält krebserregendes d-Limonene.

Heu ist zur Ernährung ist Heu für Ratten nicht zwingend notwendig, kann aber in geringen Mengen gegeben werden. Es ist darauf zu achten, ob durch das Heu vermehrtes Niesen auftritt (manche Ratten sind gegen Heu allergisch). 

Die Zweige von verschiedenen Obstbäumen, wie z. B. Apfel- oder Birnenbäumen, sowie Haselnusssträuchern lassen sich hervorragend als Nagematerial anbieten. 

Trockenes Brot ist als Nagematerial nicht geeignet: Es weicht durch den Speichel im Maul sehr schnell auf und hilft nicht beim Abnutzen der Zähne. Trockenes Brot ist nur ein Dickmacher, der obendrein zu viel Salz enthält. Außerdem sind vorhandene Schimmelsporen mit bloßem Auge nicht sichtbar. Brot gehört wenn, dann in die Kategorie „Leckerli“. Die Nagezähne schleifen sich beim normalen Fressen und gegeneinander reiben ausreichend ab. 

Aber Vorsicht: 

Schon mancher Halter hat sich über Heu oder selbstgesammelte Äste von draußen unangenehme Parasiten wie z. B. Milben eingefangen. Es empfiehlt sich, das Heu vor dem Füttern 48 Stunden einzufrieren. Äste können ebenfalls eingefroren, im Backofen für ca. eine halbe Stunde bei knapp 100°C erhitzt oder gründlich mit heißem Wasser abgespült werden, um kein Risiko einzugehen. 

Die käuflichen Leckerli, die gängigerweise in Zoohandlungen angeboten werden, enthalten meist viel Zucker, viel Fett oder beides. Darum sollte man darauf lieber verzichten und stattdessen beispielsweise gekochte Nudeln (auf Salz im Kochwasser verzichten!), gekochten Reis (auf Salz im Kochwasser verzichten!), etwas Naturjoghurt, ein Stückchen milden Käse, etwas Quark, etwas Babybrei, einfach ein Stück Obst usw. geben. Aber nur in Maßen, denn zu oft gegeben, machen Leckerli meist dick! 

Menschliche Nahrung wie Chips, Schokolade oder gewürzte und für den menschlichen Verzehr bestimmte Speisen oder Getränke, dürfen auf keinen Fall gegeben werden.

 

Leider werden immer wieder Ratten draußen ausgesetzt, die dann von rattenfreundlichen Menschen entdeckt werden und eingefangen werden müssen.

 

Für solche Einfangaktionen hat sich als Ausrüstung bewährt:

  • Lebendfallen
  • als Lockmittel Brot mit Leberwurst oder ähnlich stark riechendem
  • Kescher
  • Betttücher, um Fluchtwege abzusperren
  • dicke Gartenhandschuhe oder sogar Kettenhandschuhe (auch zahme Ratten können in Panik mal beißen)
  • Stofftaschen
  • Transportboxen (immer besser mehrere dabei zu haben)
  • Spaten, um  ggfs. weitere Ratten auszugraben, die sich Höhlen gebaut haben

 

Sollten Weibchen dabei sein, muss auf geschwollene Zitzen geachtet werden. Es könnten Rattenbabys in der Nähe sein. In so einem Fall sollte die Mutter - sofern man nicht an die Babys herankommt - dort gelassen werden bis die Babys alt genug sind, dass sie aus em Nest kommen und dann alle gemeinsam eingefangen werden.

 

Anschließend sollten die Ratten von einem rattenerfahrenen Tierarzt untersucht werden.

Ratten von draußen können Parasiten haben, einerseits im Fell (z. B. Milben, Haarlinge, Läuse) aber auch innerlich (z. B. Würmer).

Bei Weibchen muss bedacht werden, dass sie trächtig sein könnten - im schlechtesten Fall sogar von einem wilden Wanderrattenbock, was zu halbwilden Jungen führen würde. Es empfiehlt sich die Gabe von Alizin zur Beendigung der Trächtigkeit.

Alizin sollte in der ersten Hälfte der Schwangerschaft gespritzt werden, solange die Babys noch nicht zu ertasten sind, weil sonst das Risiko für die Mutter zu groß wird. Eine Behandlung muss also meist nur auf den Verdacht einer Trächtigkeit hin erfolgen.

  • Dosierung Alizin (nach "Leitsymptome für Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus"): 10 mg Wirkstoff pro kg Körpergewicht, vom Tierarzt 2x im Abstand von 24 Stunden zu spritzen

Man braucht:

  • Katzenaufzuchtsmilch (Marke Royal Canin BabyCat Milk und Beaphar werden gut vertragen; Gimpet wird weniger gut vertragen) - erhältlich in Zoohandlungen, bei Tierärzten oder Tierheimen

oder falls nicht erhältlich:

  • Hundeaufzuchtsmilch (Marke Esbilac wird gut vertragen) - erhältlich in Zoohandlungen, bei Tierärzten oder Tierheimen

oder im Notfall (falls keine Aufzuchtsmilch erhältlich):

  • Humana Heilnahrung für Säuglinge - erhältlich in der Apotheke

Außerdem:

  • Fencheltee
  • Sab Simplex (zur Vorbeugung von Blähungen) - erhältlich in Apotheken und bei Tierärzten
  • Transportbox oder anderer Behälter (aus dem die Babys nicht heraus können)
  • eine Wärmequelle (z. B. Wärmflasche, Snuggle Safe, Körnerkissen)
  • Küchentücher, Toilettenpapier, Taschentücher oder Fleece als Nestunterlage für die Babys
  • 1-5 ml Einwegspritzen
  • evtl. Sauger (kleinste Sorte) - geht mit 1ml Spritzen auch gut ohne

 

Vor Beginn der Fütterung muss sichergestellt werden, dass die Babys nicht dehydriert (dann zuerst lauwarmen Fencheltee geben) oder ausgekühlt (dann erst wärmen) sind, sonst können sie die Nahrung nicht richtig verdauen. Im Zweifel muss in so einem Fall sofort ein Tierarzt aufgesucht werden!

 

Die Aufzuchtsmilch (oder Heilnahrung) wird mit Fencheltee angerührt.

Mischung:
- 6 Teelöffel Aufzuchtmilch
- 7 - 9 Teelöffel Feencheltee (der Tee muss warm sein und es sollte eine flüssige Substanz werden; milchähnlich eben)
- 15 Tropfen SabSimplex dazufügen

 

Das Baby dazu in leichter Rückenlage halten und mit der Spritze die körpertemperaturwarme Milch vorsichtig direkt ins Mäulchen füttern. Während der Dauer der Fütterung die Milch im Wasserbad warm halten.

Danach die Babys mit Küchenkrepp nach Bedarf säubern und trockentupfen. Dann den Bauch zur Verdauungsanregung 1-2 Minuten massieren. Dabei vorsichtig mit dem Finger in Richtung Po streichen.

Fütterungsabstände:

In der 1. bis 2. Woche: alle 2 - 2 1/2 Stunden füttern (Das heißt, je nach Anzahl der Babys, wenn man mit dem letzten fertig bist, muss man schon fast wieder mit dem ersten anfangen.)

Ab der 3. Woche: alle 3 - 4 Stunden füttern

Ab der 4. Woche: längere Abstände; die Babys fangen bereits von selber an zu fressen.

 

Ab der 3. Woche bietet man zusätzlich Vollkorn- oder Zwiebackbreie für Menschenbabys (aus dem Gläschen oder Pulver; man kann auch zarte Haferflocken und/oder zerbröselten Zwieback hinein mischen) an, gut geeignet ist auch in die den Babys bekannte Aufzuchtsmilch Schmelz-/Haferflocken zu mischen. So lernen sie langsam auch selbst zu fressen. Außerdem sollten sie ein gutes Rattentrockenfutter, Kobenhirse, Obst und Gemüse bekommen, um sie von nun an zunehmend an normale Rattennahrung zu gewöhnen. Sinnvoll ist es, mit Apfel und Möhre anzufangen und erst in Laufe der nächsten Wochen weitere Sorten anzubieten.

Ab der 4. Woche kann man die Fütterung mit Milch langsam einstellen (durch den Übergang zu längeren Intervallen). Wenn die Kleinen gern noch ihre Milchmischung trinken, kann man sie ihnen auch noch länger geben. Es ist nicht nötig, sie "gewaltsam" zu entwöhnen. Viele trinken ihre Milch gern noch aus einem Schälchen.

 

Wasser in einem Napf oder einer Flasche bietet man spätestens an, sobald die Kleinen die erste feste Nahrung aufnehmen. Es schon vorher bereit zu stellen, schadet aber auch nicht. Wenn man unsicher ist, ob das Jungtier bereits feste Nahrung annimmt, dann bietet man sie ihm einfach probehalber an! Wenn das Kleine soweit ist, wird es die Nahrung annehmen - keinesfalls schadet man mit einem zu frühen Anbieten. Nur muss man mit kleinen Mengen beginnen und langsam steigern.

 

Zusammensetzung verschiedener Aufzuchtsmilch

Royal Canin BabyCat Milk

Milchproteine, tierische Fette, Molkeproteine, Sojaöl, Kokosöl, Fischöl (Quelle von DHA), Mineralstoffe, Fructo-Oligosaccharide.

(Rohasche (6%), Rohfett (39%), Rohprotein (33%), Feuchtigkeit (3%), Kalium (0,7%), Calcium (1,1%), Magnesium (0,06%), Natrium (0,3%), Phosphor (0,8%), Vitamin A (25.000 IE/kg), Vitamin D3 (1.500 IE/kg), Vitamin B1 (20 mg/kg), Vitamin B2 (40 mg/kg), Pantothensäure (56 mg/kg), Vitamin B6 (15 mg/kg), Vitamin B12 (0,3 mg/kg), Vitamin C (300 mg/kg), Vitamin E (600 mg/kg), Biotin (1 mg/kg), Cholin (3.000 mg/kg), Vitamin E (600 mg/kg), Arginin (2,05%), Taurin (0,25%))

 

Beaphar Kitty Milk

Milch und Molkereierzeugnisse, Öle und Fette, Mineralstoffe.

(Rohasche (7%), Rohfett (24%), Rohprotein (32%), Feuchtigkeit (3,5%), Kalium (1,4%), Calcium (0,86%), Magnesium (0,16%), Natrium (0,5%), Phosphor (0,6%), Vitamin A (215.000 IE/kg), Vitamin D3 (2.000 IE/kg), Vitamin B1 (5 mg/kg), Vitamin B2 (3 mg/kg), Pantothensäure (10 mg/kg), Vitamin B3 (20 mg/kg), Vitamin B6 (3 mg/kg), Vitamin B12 (0,02 mg/kg), Vitamin C (620 mg/kg), Vitamin E (210 mg/kg), Biotin (0,05 mg/kg), Vitamin K3 (3 mg/kg), Cholin (850 mg/kg), Methionin (3.000 mg/kg), Taurin (3.000 mg/kg))

 

Esbilac Hundeaufzuchtmilch

Milch- und Molkereierzeugnisse, pflanzliche Eiweißextrakte, pflanzliche Öle, Eiererzeugnisse, Mineralstoffe, Aminosäuren-, Vitamin-, Spurenelementvormischung.

(Rohasche (7,75%), Rohfett (40%), Rohprotein (33%), Calcium (0,86%), Magnesium (0,1%), Natrium (0,5%), Phosphor (0,8%), Vitamin A (24.000 IE/kg), Vitamin D3 (2.000 IE/kg), Vitamin B1 (5 mg/kg), Vitamin B2 (6 mg/kg), Pantothensäure (44 mg/kg), Vitamin B3 (79 mg/kg), Vitamin B6 (4 mg/kg), Vitamin B12 (0,036 mg/kg), Vitamin C (2,5 mg/kg), Vitamin E (62 mg/kg), Biotin (0,07 mg/kg), Cholin (1,77 mg/kg), Vitamin E (62 mg/kg))

 

Was sind Halbwilde?

Unter halbwilden Ratten (kurz: Hawi = Halbwilde) versteht man Mischlinge aus einem Elternteil Farbratte und einem Elternteil wilde Wanderratte. Meist ist die Mutter eine Farbratte, die draußen weggelaufen ist oder ausgesetzt wurde, und sich dort mit einem wilden Bock gepaart hat. Ob es auch den umgekehrten Fall gibt, dass der Vater eine Farbratte und die Mutter eine Wildratte ist, ist nicht genauer bekannt, da in diesem Fall die Jungen kaum in menschliche Obhut gelangen würden und es für einen Farbrattenbock deutlich schwieriger wäre, sich einem wilden Weibchen zu näheren ohne von ihr selbst oder deren Rudel angegriffen zu werden. Meist sind Halbwilde rein agoutifarben (ein komplett agoutifarbener Wurf kann beim Verdacht auf Halbwilde oft ein guter Hinweis sein, dass es sich bei den Babys wirklich um Hawis handelt), aber in seltenen Fällen kann auch die Färbung Agouti hooded auftreten.

 

Wie kommen Wildratten in menschliche Obhut?

Häufig gelangen wilde Wanderratten in Menschenhand, weil ein Rattennest mit Babys gefunden wird oder jemand auf ein verletztes Rattenbaby stößt. Die Kleinen werden dann mit Katzenaufzuchtsmilch von Hand aufgezogen. Es gibt auch andere traurige Geschichten, wie z. B. die von Henri: Ihn hatte eine Katze als Baby ins Haus geschleppt, die Katzenbesitzerin hatte nichts gemerkt und er lebte mehrere Monate, alleine ohne Sozialkontakte zu anderen Ratten, hinter deren Küchenzeile, bis er irgendwann Sachen annagte, so bemerkt wurde und dann natürlich weg musste. Da es Winter war und er alleine ohne Rudel, draußen keine Überlebenschancen gehabt hätte, gelangte er über Umwege zu mir. Dort brauchte es noch etliche Monate, um ihn schließlich in ein Rudel zu integrieren.
Ganz wichtig: Wilde sollten immer gegen äußere Parasiten gespottet werden (am besten Ivomec, das hat ein recht breites Wirksamkeitsspektrum) und eine Kotprobe auf Würmer und weitere innere Parasiten untersucht werden!

 

Eigenschaften von Halbwilden/ Wilden

Halbwilden merkt man ihr zu einer Hälfte wildes Erbe meist deutlich an und es erstaunt immer aufs Neue, wie wenig von der Generationen langen Domestikation übrig bleibt, wenn auch nur die Hälfte der Gene wild sind. Wenn Hawis/ Wilde als Babys in der Obhut des Menschen geboren werden und man sie von Anfang an intensiv an die Hand gewöhnt, sind sie zunächst einmal relativ zutraulich. Sobald sie die Augen öffnen und älter werden, schlagen jedoch ihre wilden Instinkte durch und sie werden mehr oder weniger scheu und sind schreckhaft. Angefasst werden ist ihnen deutlich unangenehm. Allerdings sind von Anfang an gut an den Menschen gewöhnte Babys trotzdem meist recht umgängliche Ratten und vom Verhalten mit scheuen Farbratten vergleichbar: Entwicklung von halbwilden Babys
Halbwilde, die ohne ausgiebigen Menschenkontakt aufwachsen (aus unglücklichen Umständen oder weil in Tierheimen die Zeit dafür fehlt usw.) sind deutlich schwieriger. Anfassen ist dann oft nur noch mit (Ketten-)Handschuhen möglich, weil sie aus instinktiver Angst vor dem Menschen beißen. Futter und Leckerlis werden gar nicht oder nur sehr zögernd direkt vom Menschen angenommen und es erfordert regelmäßiges Training, sie an die Futterannahme zu gewöhnen (Leckerlis aus der Hand oder Babybrei von einem Löffel schlecken). Daunter Brei Medizin gemischt werden kann, wenn die Ratten krank sind, kann die Gewöhnung daran lebenswichtig sein. Nichts macht einen hilfloser als eine kranke Ratte, bei der partout keine Medikamentengabe möglich ist und die man im Extremfall am Ende einschläfern muss.
Halbwilde und Wilde sind im Allgemeinen nagefreudiger als Farbratten, was man im Alltag bei der Käfigwahl, beim Auslauf und beim zur Verfügung stellen von Nageästen berücksichtigen muss.
Entgegen landläufiger Meinungen haben Hawis und Wilde keine höhere Lebenserwartung als Farbratten. In freier Wildbahn sterben sie ohnehin früher durch Fressfeinde und Krankheiten; in menschlicher Obhut werden sie wie Farbratten ca. 2-3 Jahre alt.

 

Unterschiede zwischen halbwilden/ wilden Weibchen und Böcken 

Nach einigen Meinungen bestehen zwischen Weibchen und Böcken bei der Vergesellschaftung (Integration) mit anderen Ratten Unterschiede im Dominanzverhalten. Böcke seien übermäßig dominant und unkastriert nach dem Babyalter nur noch schwer integrierbar.
Nach meinen Erfahrungen mit sowohl halbwilden als auch wilden Böcken und Weibchen in mehr als 15 Integrationen, und in Rücksprache mit weiteren erfahrenen Haltern, lässt sich sagen, dass beide Geschlechter sehr sozial und freundlich anderen Ratten gegenüber sind und sich bei Integrationen genauso aufgeschlossen beteiligen wie Farbratten. Kaum eine von ihnen zeigte sich dominant und hat mit Borsteln auf Fremde reagiert. Es ist immer der Einzelfall zu beurteilen, ob eine Kastration bei einem Bock notwendig ist oder nicht.

 

Umgang und Zusammenleben mit Halbwilden 

Durch die oben bereits genannten Eigenschaften von Hawis braucht es viel Empathie im Umgang mit ihnen.

 

Zähmung 

Um Hawis/ Wilde wenigstens einigermaßen an Menschen zu gewöhnen, ist der regelmäßige, intensive Kontakt zu Menschen - v. a. schon im frühen Babyalter - wichtig: neben der normalen Grundversorgung (Fütterung, Wasserwechsel, Käfigreinigung) sollte man sich auch sonst häufiger im Raum aufhalten, damit die Hawis/ Wilden sich an normale Alltagsgeräusche gewöhnen, man sollte mit ihnen sprechen, sich täglich eine Zeit lang mit in den Auslauf setzen, damit sie sich an die menschliche Anwesenheit als etwas normales gewöhnen und die Chance bekommen, sich an den Menschen heran zu wagen. Außerdem sollte man immer wieder versuchen, sie aus der Hand zu füttern oder ihnen von einem Löffel Leckerbissen zu füttern, damit man im Krankheitsfall eine Möglichkeit hat, ihnen Medikamente oral zu verabreichen. Es kann trotzdem viele Monate dauern, bis die Hawis/ Wilden es wagen auf den Menschen zuzugehen und Futter anzunehmen, sofern sie nicht im Babyalter schon gut an den Menschen gewöhnt wurden. Auf jeden Fall braucht die Zähmung von Hawis/ Wilden sehr viel Zeit und man sollte sich immer bewusst sein, dass man damit in den seltensten Fällen eine zahme Ratte erhält, sondern sie mit der Zeit lediglich weniger scheu bekommt. Man muss verstehen, dass ihre Bisse nie Böswilligkeit sind, sondern bedingt durch ihre instinktive Furcht - und gegen diese Instinkte anzukommen erfordert sehr viel Mut und Kraft von Seiten der Ratte.

 

Integrationen

Für Integrationen muss beachtet werden, dass der Rattenhalter obligatorisch anwesend sein muss, um bei aggressivem Verhalten eingreifen zu können, aber dabei die instinktive Angst der Halbwilden/ Wilden vor dem Menschen berücksichtigt werden muss. Würde sich ein Mensch wie bei einer normalen Integration mit in den Integrationsbereich setzen, dann würden sich im extremsten Fall ggfs. alle anwesenden Halbwilden/ Wilden - je nachdem wie scheu sie sind - in eine Ecke drücken und den Menschen angstvoll anstarren. Beteiligung an der Integration = Fehlanzeige! Es hat sich bei meinen Integrationen mit der Beteiligung von Halbwilden/ Wilden bewährt, die zu integrierenden Ratten innerhalb eines abgesperrten Bereichs aus Holzplatten laufen zu lassen und als Beobachter außerhalb, aber jederzeit bereit zum Eingreifen, zu stehen. So nehmen die Hawis/ Wilden ganz normal an der Integration teil und sind nicht auf ihre Menschenangst fixiert, sondern interagieren mit den neuen Ratten, wie es Sinn und Zweck ist.

 

Käfig

Die Haltung in einem Vollmetallkäfig oder einem sogenannten Uni-Dom ist zu empfehlen, weil sie, wenn sie wollen, die Kunststoffunterschale eines Käfigs oder das Holz von Schrankkäfigen mit Leichtigkeit durchnagen. Allerdings kann es auch bei Dömen sein, das man auf die Stahlversion umsteigen muss (oder zumindest in Sonderanfertigung Stahltüren ergänzen muss), weil auch Aluminiumblech nicht standhält, wenn es die Ratten drauf anlegen. Außerdem entdecken Halbwilde/ Wilde schnell und zielsicher Schwachstellen im Käfig, wie etwa sich leicht öffnende Türen und brechen darüber ggfs. aus (ich empfehle Karabinerhaken oder ähnlich sichere Verschlussvorrichtungen an den Käfigtüren). Ausbrechen könnten auf diesen Wegen natürlich auch zahme Farbratten, nur gestaltet sich bei diesen das Einfangen meistens viel einfacher und bedeutet weniger Stress als für Hawis/ Wilde. Zum Einfangen der Flüchtigen sollte man auf keinen Fall eine wilde Jagd veranstalten, sondern auch hier mit viel Geduld und Ruhe vorgehen, und eher versuchen, die Ratte zu überlisten und in eine Falle wie beispielsweise eine aufgestellte Transportbox zu locken. Um Ihr größeres Nagebedürfnis zu befriedigen, sollte viel Holz im Käfig angeboten werden. Halbwilde/ Wilde brauchen einen großen und gut strukturierten Käfig, weil sie grundsätzlich einen größeren Bewegungsdrang und ein höheres Kletterbedürfnis als Farbratten haben.

 

Käfigreinigung

Das Saubermachen des Käfigs sollte man ebenfalls gedanklich vorher durchgehen, wenn man Hawis oder Wilde hält. Man kann den Hawis/ Wilden von Anfang an antrainieren, in eine Transportbox zu laufen, so dass dies für die Käfigreinigung (und auch sonstige nötige Transporte wie einen Tierarztbesuch) genutzt werden kann. Dazu braucht man auf jeden Fall einen Käfig mit ausreichend großen Türen, um die Transportbox hinein stellen zu können. Die andere Methode, die sich bei mir bewährt hat, ist, den Käfig schrittweise zu reinigen: Viele Ratten haben einen bevorzugten Schlafplatz (oft eine möglichst weit oben gelegene Etage). Zuerst wird der restliche Teil des Käfigs gereinigt und erst zuletzt nimmt man die Schlafetage in Angriff. Die Hawis/ Wilden lernen mit der Zeit diese Prozedur und verlassen dann oft schon von selbst diese Etage und begeben sich in den bereits gereinigten Teil des Käfigs oder man muss sie sanft zum Gehen auffordern. So kann man möglichst stressfrei putzen und die Ratten müssen dazu nicht extra z. B. in eine Transportbox gesetzt werden.

 

Auslauf

Halbwilde und Wilde haben die gleichen Bedürfnisse wie Farbratten: Eine Haltung ohne ihnen täglichen Auslauf zu gewähren ist keine artgerechte Haltung!
(Es ist leider bei einigen Haltern so, dass sie dieses Bedürfnis der Tiere einfach übergehen - vielleicht weil es bequemer ist, als einen sicheren Auslaufbereich zu bauen, damit die Ratten nicht irgendwo in der Wohnung verschwinden.)
Die Dauer des täglichen Auslaufs muss an das große Bewegungsbedürfnis der Hawis/ Wilden angepasst sein und die für Farbratten als Faustregel genannte Mindestzeit von 1-2 Stunden pro Tag reichen für Halbwilde/ Wilde oft nicht aus. Der Auslauf sollte direkt an den Käfig angeschlossen werden, damit die Ratten selbst hinauslaufen können, da das tägliche Anfassen und der Transport in einen Auslaufbereich einen enormen Stress darstellen würde. Als Halter muss man lernen auf schnelle, hektische Bewegungen und lautes, unruhiges Verhalten zu verzichten, im Auslauf absolut ruhig und manchmal sogar reglos dabei zu sitzen, damit sie sich aus dem Käfig trauen. Außerdem sind Halbwilde/ Wilde wahre Ausbruchskünstler, so dass man schnell die Schwachstellen des Auslaufbereichs kennenlernen wird, indem man Ratten außerhalb findet. Zum Einfangen der Flüchtigen sollte man auf keinen Fall eine wilde Jagd veranstalten, sondern auch hier mit viel Geduld und Ruhe vorgehen, und eher versuchen, die Ratte zu überlisten und in eine Falle wie beispielsweise eine aufgestellte Transportbox zu locken. Das Sprungvermögen sollte nicht unterschätzt werden und eine Auslaufabsperrung von mehr als 90 cm Höhe ist zu empfehlen.

 

Krankheiten

Im Krankheitsfall sind Hawis/ Wilde schwierige Patienten, dabei sind sie genauso krankheitsanfällig wie Farbratten es sind und keinesfalls robuster oder langlebiger als diese. (Das Märchen der robusten Wildratten hält sich leider hartnäckig.) Ein Tierarztbesuch, durch die fremde Umgebung und das zwangsläufige Anfassen der Hawi/ der Wilden durch Menschen, ist enormer Stress. Sind Halbwilde/ Wilde anfassen und häufigen Menschenkontakt gar nicht gewohnt, so muss man sogar fürchten, dass der Stress zu einem Herzschlag führen könnte. In so einem Fall muss mit dem Tierarzt Rücksprache gehalten werden und ggfs. ein Hausbesuch in Betracht gezogen werden oder der Halter verabreicht der Ratte (sofern möglich) in Absprache mit dem Tierarzt vorab ein leichtes Beruhigungsmittel. Hawis/ Wilde lassen sich nicht einfach vom Tierarzt untersuchen wie es eine zahme Farbratte zuließe: Untersuchungen und röntgen erfordern viel Erfahrung im Umgang mit und beim Festhalten von diesen Tieren und sind im Extremfall sogar nur unter Narkose möglich. Bei Krankheiten oder nach Operationen, wenn Medikamentengabe erforderlich ist, hat man oft wenig bis keine Möglichkeiten, die nötigen Medikamente zu geben, weil - siehe oben - nicht immer etwas vom Menschen angenommen wird (nach Operationen hat sich bei mir die Gabe eines mehrere Tage wirkenden Depot-Antibiotikums (Convenia) durch den Tierarzt direkt nach der OP bewährt). Manchmal sind medizinische Behandlungen, die mit einer zahmen Ratte machbar wären, mit Hawis/ Wilden gar nicht umsetzbar, so dass man z. T. von einer nur eingeschränkt möglichen medizinischen Versorgung sprechen muss.

 

 

Mit den Informationen dieser Seite sei deutlich gesagt: 

Hawis/ Wilde sind keine exotische Besonderheit wie es eine andere Fellfarbe ist. 

Sie sind nichts, womit man sich als Rattenhalter vor anderen profilieren kann, sondern kosten viele Nerven, viel Zeit und Geduld, brauchen Verständnis und Einfühlungsvermögen. Sie gehören darum in Hawi/ Wildi-erfahrene Hände oder in die Hände von Menschen, mit dem ausreichenden Verantwortungsbewusstsein und der Bereitschaft auf sie einzugehen, und mit diesen schwierigen Ratten leben zu lernen. Wer Gefallen am wildfarbenen Fell der Wilden findet - denn dass ihr Fell schön aussieht, höre ich des Öfteren -, kann sich gerne nach zahmen Farbratten in der Farbe Agouti (= wildfarben) umsehen.

 

Ich möchte an dieser Stelle jeden Rattenhalter bitten, so vernünftig zu sein und niemals eine Ratte mit nach draußen nehmen. Die meisten Halbwilden entstanden dadurch, dass Rattenweibchen, die mit nach draußen genommen wurden, ihrem Besitzer weggelaufen sind, sich dann mit einem wilden Bock gepaart haben und danach von Tierschützern entdeckt und wieder eingefangen wurden.

Wilde Ratten sind Wildtiere, die normalerweise nicht in Menschenhand und einen Käfig gehören. Wenn man ein Nest mit Rattenbabys findet, sollte man sich immer erst versichern, dass die Mutter wirklich nicht mehr zurückkommt zu ihren Babys (allerdings nicht so lange, dass die Babys elendig verhungern müssen und man gar keine Chance mehr hat, eine ohnehin schon schwierige Handaufzucht zu schaffen, sondern in vernünftigem Maße).

 

Deutschlandweite Vermittlungsliste für Halbwilde & Wilde: hier klicken

 


Yelena, Hawi-Weibchen, *14. November 2009 - † 08. Oktober 2012

Zusätzliche Informationen